Die Digitalisierung in der Anwaltskanzlei
Die Digitalisierung. Ein Thema, das alle Wirtschaftsbereiche einnimmt und das bereits heute viele Bereiche des täglichen Lebens verändert hat. Denken wir nur an die klassische Tageszeitung oder den Einkauf in der nahegelegenen Innenstadt. Hier haben das iPad und die einzelnen Online Shops bereits zum unaufhaltsamen Siegeszug angesetzt.
Doch wie ist das in der klassischen Anwaltskanzlei?
Bis vor kurzem haben Anwälte und deren Kanzleien sich gegen die Digitalisierung weitgehend verhalten geäußert. Eine Veränderung sollte möglichst nicht eintreten, man möchte doch lieber beim bewährten Umfeld bleiben. „Uns betrifft das am Ende gar nicht“ ist häufig zu vernehmen – eine klassische Reaktion auf bevorstehende Veränderungen.
Diese Reaktion ist man bei den bisher digitalisierten Branchen gewohnt und im Regelfall die erste Aktion der Beteiligten. So war es im Bereich der Banken, ist es derzeit bei den Versicherungen und wird es auch in anderen Branchen sein.
Doch nun hat die Digitalisierung auch die Juristen eingeholt und setzt sich unaufhaltsam fort – wie weit sie bereits fortgeschritten ist und welche Chancen und Risiken sie bietet, werden wir im Nachgang erklären.
Eines steht jedoch bereits fest: Erfolg werden in dieser neuen Aura nur Kanzleien bzw. Unternehmen haben, die sich entsprechend in den Bereichen auskennen und bereit sind sich zu verändern bzw. zu wachsen. Eine fundierte Beratung an der eigenen Seite ist unumgänglich.
Der Markt der Rechtsberatung wandelt sich
Veränderungen sind nicht nur auf den Handelsmärkten zu erkennen, sondern auch bei den Rechtsberatungen wandeln sich die Rahmenbedingungen. Zwei starke Kräfte sind dabei den sonst so unerschütterlichen Markt umzuwälzen.
Zum einem erfasst die Digitalisierungden Markt und verändert die Arbeit der Anwälte, aber auch der Preisdruckdurch die Mandanten ist im Augenblick nicht zu unterschätzen. Beide Faktoren verändern den Markt.
Dass Mandanten einen Preisdruck auf einen doch sonst stabilen Markt ausüben können, ist schwer vorstellbar. Betrachtet man jedoch konkret die „British Telecom“ (BT; das Pendant zur Deutschen Telekom), so konnten diese Ihre Gesamtausgaben für Rechtsberatung um 11% senken und gleichzeitig 40% weniger Anwälte im Inhouse-Team beschäftigen.
Diese Entwicklung hat auch Markus Hartung, Rechtsanwalt und Direktor des Bucerius Center on the Legal Profession, beobachtet. Herr Hartung ist Mitautor der Studie „How Legal Technology will Change the Business of Law“. Mit dieser Studie beschreibt er die aktuelle Entwicklung des Marktes.
Nach der Finanzkrise ist alles anders
Die Finanzkrise hat auch die Unternehmen vorsichtiger und kostenbewusster gemacht. Das kann man in der Rechtsberatung schnell feststellen. Unternehmen kaufen mittlerweile weitsichtiger und vor allem vorsichtiger ein. Sie achten intensiver auf die Kosten.
Natürlich verfügen die großen Kanzleien immer noch über ausreichend Mandanten, aber gerade kleinere Start-Ups und stark digitalisierte Anwaltskanzleien sorgen mit kostengünstigen Softwarelösungen für einen immer größeren Marktanteil und begünstigen den Preisverfall am Rechtsmarkt.
Wie sieht es in der Praxis aus?
Ein Beispiel ist dabei die Anwaltsplattform Anwalt.de, die es zum Festpreis ermöglicht einen Anwalt zu beauftragen. Preislich besonders interessant, überzeugt es immer mehr Kunden und wird zur echten Alternative. Dies für langfristig zu niedrigeren Preisen.
Im Anwaltsbereich sind dabei neben Anwalt.de weitere Portale wie „Justanswer“ oder „Advocado“ vertreten. Dabei liest man oftmals die Slogans „kostenlose Ersteinschätzung“, „Zusatzfragen inklusive“ usw. – alles Zeichen dafür, dass die digitalen Lösungen voranschreiten und sich das Preisgefüge verändern wird. Grundsätzlich kann man jedoch sagen, dass auch bei den Online Portalen derzeit nur ein sehr überschaubarer Anteil ohne die Zuarbeit eines ausgebildeten Anwalts funktioniert. Noch nicht – in Zeiten von Big Data werden die Prognosen und Einschätzungen eines Computers dabei immer präziser.
Der Kostendruck trifft die Branche
Es gibt aber noch ein weiteres Anzeichen für den Kostendruck. Viele Unternehmen haben eine eigene Rechtabteilung im Unternehmen eingeführt und lassen viele Rechtsfragen nun durch eigene Mitarbeiter bearbeiten. Diese eigenen Leistungen sind meist kostengünstiger als das Anwerben einer externen Kanzlei. Mit der British Telecom wurde bereits zuvor ein Beispiel angeführt.
Für die Kanzleien bedeutet dies derzeit noch keine grundlegende Veränderung der Arbeitsweise, erste dunklere Wolken ziehen jedoch am Himmel auf und für die Kanzleien heißt es nun passend zu reagieren, um langfristig auch für tiefgreifende Veränderungen gewappnet zu sein.
Die Digitalisierung verändert die Arbeit
Neben dem Preisdruck verändert auch die Digitalisierung die Arbeit der Kanzleien. Bis vor wenigen Jahren haben Anwälte Ihre Arbeit oftmals als unersetzbar angesehen. Eine Sichtweise, die innovative Softwarekonzerne und einige Verbraucher nicht teilen. Denn Anwälte sind aus Sicht der Kunden vor allem eins: sehr teuer.
Die Digitalisierung hilft den Verbrauchern und auch den Unternehmen dabei standardisierte Prozesse nicht mehr durch einen Anwalt erledigt werden müssen. Das spart teilweise nicht nur Geld, sondern auch Zeit. Die standardisierten Arbeiten lassen sich durch einen Computer schneller und einfacher erledigen, zudem ist es weniger fehleranfällig. Zudem werden Kosten gespart.
Mitautor und Managing Director bei Boston Consulting Group, Christian Veith, findet dafür klare Worte: „Die Digitalisierung ist eine Bedrohung für diejenigen, die sich ihr verweigern“
Wer sich der Digitalisierung anschließt, kann natürlich von ihr profitieren und langfristig als großer Gewinner dastehen. Anwälte sollten sich der Digitalisierung offen gegenüberstehen und versuchen von ihr zu profitieren, anstatt an ihren bisherigen Strukturen festzuhalten.
Doch nun steht die Frage im Raum welche Prozesse sich bereits heute durch die Digitalisierung umsetzen lassen.
Vor allem Assistenz-Systeme sind in diesem Segment anzuführen. Kalenderverwaltungen, Kundenverwaltungen im CRM-Tool und E-Mail-Kontakte werden in diesen Systemen digitalisiert. So lassen sich Daten schneller erfassen, aber auch die Recherche zu einzelnen Fällen kann automatisiert deutlich preiswerter erfolgen.
Können Computer die Arbeit der Anwälte ersetzen?
Diese Fragen werden sich nicht nur Anwälte stellen. Es ist durchaus möglich. Die Arbeit eines Anwaltes besteht oftmals darin große Datenmengen zu erfassen und auszuwerten. Diese müssen in der Arbeit strukturiert und systematisiert werden. Diese Arbeiten mussten früher Anwälte bzw. die Anwaltsgehilfen erledigt, heute kann das eine Software unternehmensintern übernehmen.
Es gibt aber noch weitere Beispiele für die fortschreitende Digitalisierung. Beispielsweise können bei Unternehmenstransaktionen die Aufgaben der Anwälte im Bereich Due Diligence automatisiert werden. Früher musste eine Vielzahl an Anwälte und Wirtschaftsberatern die Bücher prüfen, was Tage gedauert hat. Heute werden die Datensätze automatisiert durch ein System geprüft.
Software besitzt dabei, im Vergleich zum klassischen Arbeiter, eine Vielzahl an Vorteilen. In erster Linie arbeitet die Software schneller und genauer. Darüber hinaus machen sie keine Fehler, die Menschen durchaus unterlaufen können. Wir könnten eine Vielzahl an weiteren Vorteilen wie beispielsweise das wegfallende Gehalt, die ausbleibenden Krankheits- und Urlaubstage sowie die fehlende Einarbeitungszeit anführen – klassische Argumente für Software bzw. Roboter.
Zudem werden juristische Sachverhalte immer komplexer, was den Einsatz einer Software weiter begünstigt und sich auch preislich oftmals lohnt.
Digitalisierung als die Basis für die Kanzlei von morgen
Aber auch die aktuellen Studenten werden dafür sorgen, dass die Digitalisierung weiter fortschreitet. Denn wer heute an einer der vielen Deutschen Hochschulen studiert, ist es gewohnt den Computer zu nutzen und ein Teil der Digitalisierung zu sein. Zwar werden die Studenten auch weiterhin hervorragende juristische Kenntnisse benötigen, jedoch wird die Arbeit der Juristen immer mehr in die Digitalisierung getrieben. Die computergestützten Technologien vereinfachen den Prozess – Big Data, ein elektronisches Anwaltspostfach und Co werden in Zukunft Standard sein.
Worin diese Arbeiten bestehen und wohin diese Entwicklung langfristig führt, bleibt abzuwarten. Die Automatisierung einzelner Teilbereiche ist dabei nur der Anfang der Veränderung und bereits heute in immer mehr Anwaltskanzleien vorzufinden.
Quellen:
http://www.deutscheranwaltspiegel.de/umbruch-oder-evolution/
http://www.bucerius-education.de/home/bucerius-clp/studien/
https://www.lto.de/recht/job-karriere/j/trendforschung-anwaltsmarkt-2030-dav/